Integrationsrat Oberhausen – wer integriert hier eigentlich was?
Islamist*innen, Erdogan-Fans und Verschwörungstheoretiker*innen.
Parallel zur Kommunalwahl wird in Oberhausen am 13. September auch der nächste Integrationsrat gewählt. In diesem Jahr tritt die vom langjährigen SPD-Politiker Ercan Telli angeführte Liste unter dem neuen Namen „Team Oberhausen“ unter dem Slogan „0% Rassismus, 100% Demokratie an. Doch auch in diesem Jahr ist es wieder spannend, welch ein Konglomerat sich auf dieser Liste so findet. Schon im Anschluss an die letzte Wahl hatte es nach Recherchen und Veröffentlichungen der Antifa Oberhausen einige Aufschreie in der Fraktion gegeben. Damals ging es um die Mitgliedschaft des ehemaligen Vorsitzenden des türkischen Kulturvereins „Oberhausen Türk Kültür Ocaği“, der zur „Almanya Türk Federasyon“, der Auslandsvertretung der offen faschistischen „Partei der nationalistischen Bewegung“, MHP, besser bekannt als „Graue Wölfe“, gehört.
Auch die diesjährige Kandidatenkür erweckt den Eindruck, dass es anscheinend wieder das Ziel war, möglichst viele konservativ-nationalistische, türkisch-stämmige Institutionen Oberhausens auf einer gemeinsamen Liste zu vereinen. Es finden sich einige alte Bekannte, die auch schon in der vergangenen Ratsperiode Mandate wahrgenommen haben – aber auch neue Namen. Wir haben uns diese Liste mal für euch angeschaut und etwas analysiert.
Wer ist vertreten?
Es fällt zunächst einmal auf, dass besonders viele Kandidat*innen eine starke Nähe zum Moscheeverband DITIB mitbringen. DITIB ist der türkischen Religionsbehörde Diyanet, welche die Politik des türkischen Autokraten RT Erdogan repräsentiert, direkt unterstellt. Sympathiebekundungen für Erdogan, seine Politik und seine völkerrechtswidrigen Angriffskriege finden sich auf den Social-Media-Profilen der Kandidierenden zuhauf.
Schon auf Platz 2 der Liste fällt ein Kandidat auf, der auf seinem Facebookprofil massenhaft Beiträge von vermeintlichen Corona-Experten teilt, allesamt reine Verschwörungstheorien mit klassischen Schuldzuweisungen und der Unterstellung, es gäbe eine massive Medienzensur durch die Regierung.
Gleich mehrere Kandidierende sind der IGMG (Islamische Gemeinschaft Millî Görüş) zuzuordnen. Diese betreibt in Oberhausen eine Moscheegemeinde in Barmingholten auf der Emmericher Str. und eine auf der Ziegelstraße in Osterfeld. Die IGMG gehört ebenfalls zum „Netzwerk Erdogans in Deutschland“. Sie steht für ein islamistisches Islamverständnis auf der Grundlage der Ideologie des Gründers der Mutterorganisation in der Türkei, Necmettin Erbakan, einem glühenden Islamisten und Antisemiten.
Auch der Islamverband VIKZ (Verband der islamischen Kulturzentren) ist, wie schon in den vergangenen Jahren, mit einem aussichtsreichen Listenplatz ausgestattet. Der VIKZ, in Oberhausen an der Fahrnhorststraße beheimatet, vertritt eine reaktionär sunnitische Auslegung des Islam und fällt zunächst einmal schwerpunktmäßig durch das Betreiben von Internaten auf, in denen die religiösen Grundlagen sämtliche Lebensbereiche der Kinder und Jugendlichen einnehmen – inklusive einer strikten Geschlechtertrennung.
Keinen Platz auf der Liste „Team Oberhausen“ scheint diesmal der oben erwähnte offen faschistische Kulturverein „Oberhausen Türk Kültür Ocaği“ mit Sitz an der Vestischen Straße bekommen zu haben – noch einmal eine solch peinliche Farce wie bei der letzten Wahl sollte es wohl nicht geben. Jedoch gibt es in Deutschland nicht nur die türkische Föderation, die der Bewegung der Grauen Wölfe zuzuordnen ist. Eine nicht weniger offen faschistische Abspaltung stellt der Verband ATIB (Avrupa Türk Islam Birliği) dar, der in Oberhausen eine Moschee auf der Brücktorstraße betreibt. Die Beiträge dieser Gruppierung werden in den Social Media jedenfalls eifrig von Kandidaten der Liste geliked, auch von solchen, die selbst bei der DITIB organisiert sind. Aber die guten Verbindungen zwischen AKP und Graue-Wölfe-Bewegung in der Türkei sind ja auch durchaus bekannt.
Stellt sich abschließend die Frage, ob es eigentlich auch noch Überraschungen auf der Liste gibt? Ja, gibt es. Auch die Alevitische Gemeinde Oberhausen hat zwei Plätze erhalten: einen aussichtsreichen für ihre Vorsitzende und einen weniger aussichtsreichen. Dabei kandidieren sie Seite an Seite mit Menschen, die ideologisch auf der Linie der Täter der Pogrome gegen die alevitische Bevölkerung in der osttürkischen Stadt Sivas 1993 stehen. Damals verbrannten 37 Menschen bei einem durch einen islamistisch-motivierten Mob gelegten Feuer während eines alevitischen Kulturfestivals im Madimak-Hotel.
Eine weitere nationalistische Entwicklung bleibt noch zu erwähnen: die Liste „United Africa for Oberhausen“ wird so nicht fortgeführt. Sie reduziert sich auf „Nigeria Voice in Diaspora“, das bisherige nicht Nigeria-stämmige Integrationsratsmitglied der Liste tritt nun für die „Demokratische Immigranten-Liste“ an.
Das Bündnis „ES REICHT – Oberhausen solidarisch gegen Rechts“ spricht sich generell entschieden gegen nationalistische, autoritäre und religiös fundamentalistische Positionen aus. Wir finden es zutiefst befremdlich, dass unter dem Vorsitz eines langjährigen Lokalpolitikers der SPD, der sich richtigerweise immer wieder gegen deutschstämmige rassistische Gruppierungen positioniert hat, Unterstützer*innen und Fans des Autokraten Erdogan eine Stimme und somit auch Einfluss auf die Vergabe von öffentlichen Geldern gegeben wird.