Wei­te­rer Kampf­sport­club mit Ver­bin­dun­gen zur rech­ten Szene

Nach Gel­sen­kir­chen nun auch in Oberhausen

Im April die­ses Jah­res berich­te­te Essen stellt sich quer (ESSQ) gemein­sam mit dem Gel­sen­kir­che­ner Akti­ons­bünd­nis gegen Ras­sis­mus und Aus­gren­zung über einen neu­en Kamp­sport­club “Guer­re­ros” in Gel­sen­kir­chen, der maß­geb­lich von Prot­ago­nis­ten der rechts­ra­di­ka­len “Stee­ler Jungs” gegrün­det wur­de und seit­dem dort betrie­ben wird [1]. Die “Stee­ler Jungs” sind eine extrem rech­te bür­ger­wehr­ähn­li­che Grup­pie­rung, die seit über zwei Jah­ren in #Essen ihr Unwe­sen treibt und eine Misch­sze­ne, bestehend aus Rockern, Hoo­li­gans und Rechts­ra­di­ka­len gebil­det hat. Inzwi­schen gibt es in Ober­hau­sen einen wei­te­ren Kampf­sport­club im Ruhr­ge­biet, der Ver­bin­dun­gen zur rech­ten Sze­ne hat. Die Sze­ne wächst.

Inter­net­quel­len sind num­me­riert mit run­den Klam­mern ange­ge­ben, Bild­quel­len (Screen­shots) mit Groß­buch­sta­ben in ecki­gen Klammern.

Kampf­sport in der extre­men Rechten

Die extre­me Rech­te hat Kampf­sport bereits vor Jah­ren für sich ent­deckt und in den letz­ten Jah­ren die Ver­net­zung von mili­tan­ten Neo­na­zis, Hoo­li­gans, Rechts­Rock-Bands und Secu­ri­ty-Unter­neh­men stark vor­an getrie­ben. Kampf­sport dient den Sze­nen als gemein­sa­me Klam­mer und ist eines der Kern­ele­men­te für das wei­te­re Zusam­men­wach­sen der diver­sen Grup­pen und Kreise.

Zwar wird ver­sucht den Sport als unpo­li­tisch dar­zu­stel­len. Den­noch sind seit lan­gem bun­des­weit viel­fäl­ti­ge Ver­bin­dun­gen zu extrem rech­ten Krei­sen doku­men­tiert, bei­spiels­wei­se durch die Initia­ti­ve “Run­ter der von der Mat­te” [2]. Mit­un­ter tau­chen sol­che Clubs inzwi­schen auch in den Ver­fas­sungs­schutz­be­rich­ten auf. Dass aus­ge­rech­net Kampf­sport so beliebt in der extre­men Rech­ten ist, liegt in der Tat­sa­che begrün­det, dass hier ein archai­sches Bild von Männ­lich­keit aus­ge­drückt wer­den kann: Stär­ke, Schlag­kraft, Über­le­gen­heits­an­spruch, sol­da­ti­sches Ide­al und Selbstjustizanspruch.

Ins­be­son­de­re der Sol­da­tis­mus, aus­ge­drückt durch das Kämp­fen gegen Schmerz des eige­nen Kör­pers, das Stäh­len sel­bi­gen, aber auch das Kämp­fen und Unter­wer­fen von Gegner*innen, ist ein äußerst attrak­ti­ver und wirk­mäch­ti­ger Topos der extrem rech­ten Sze­ne. Sie lebt von der Erzäh­lung diver­ser Unter­gangs­sze­na­ri­en, gegen die sich ihre Sze­ne­mit­glie­der als selbst­ver­stan­de­ne “Krieger*innen” sehen.

Expan­si­on nach Oberhausen

Im Sep­tem­ber die­ses Jah­res wur­den wir auf die Ankün­di­gung einer Grün­dung eines neu­en Kampf­sport­clubs mit Namen “Fight­ing Forces” [A] in Ober­hau­sen auf­merk­sam. Der Kick­bo­xer, ehe­ma­li­ge Feld­jä­ger und dor­ti­ge Trai­ner, Nathan S. [BC], ver­öf­fent­lich­te dazu auf Face­book und Insta­gram ent­spre­chen­de Posts und kün­dig­te die Auf­nah­me des Betriebs ab Okto­ber an. S. war schon zuvor Trai­ner der “Guer­re­ros” in Gel­sen­kir­chen. Zu den selbst­er­nann­ten “Figh­tern” pflegt er auch außer­halb des Trai­nings freund­schaft­li­chen Kontakt.

Der Club “Fight­ing Forces” wirbt damit “Kick- & Thai­bo­xen für groß und klein” anzu­bie­ten. Es gibt Kur­se für Frau­en und ein Kin­der­trai­ning. Rich­tet sich das Ange­bot der “Guer­re­ros” spe­zi­ell an die eige­ne Sze­ne und lie­fert kaum Anknüp­fungs­punk­te an äuße­re Kampf­sport­in­ter­es­sier­te, bie­tet S. mit “Fight­ing Forces” in Ober­hau­sen ein ver­gleichs­wei­se brei­tes Portfolio.

Den­noch sind die Ver­bin­dun­gen bei­der Clubs nicht von der Hand zu wei­sen; die Kern­trup­pe ist nahe­zu iden­tisch. Chris­ti­an “Bifi” Wil­ling, einer der füh­ren­den Köp­fe der extrem rech­ten, bür­ger­wehr­ähn­li­chen und im Fokus der Sicher­heits­be­hör­den ste­hen­den Grup­pie­rung “Stee­ler Jungs” bewirbt den neu­en Club äußerst wohl­wol­lend und ruft dazu auf, sich zwecks Ter­min­ab­spra­che direkt an ihn zu wen­den [DEF].

Aber auch Frank S., Besit­zer des “Stahl­werk Gym” in Gel­sen­kir­chen, war bereits zu Trai­nings- und Wer­be­zwe­cken in Ober­hau­sen [G].

Extrem rech­te Szene

Dass Prot­ago­nis­ten der extrem rech­ten Sze­ne bei den “Fight­ing Forces” in Ober­hau­sen trai­nie­ren, belegt bei­spiel­haft Bild [H], hoch­ge­la­den von Frank S.
Zu sehen ist eine Grup­pe von über­wie­gend “Ban­di­dos” und deren Ange­hö­ri­gen. Einer der “Ban­di­dos” Rocker trägt pro­mi­nent ein hand­tel­ler­gro­ßes Haken­kreuz auf dem Bizeps täto­wiert und zeigt den Dau­men hoch. Eben­falls auf dem Bild: Frank S. (1) und Chris­ti­an Wil­ling (2), der gleich­falls den Dau­men reckt.

Mit Ver­tre­tern der “Stee­ler Jungs” trai­nie­ren in dem Club Per­so­nen, die in einer Grup­pie­rung ange­hö­ren, die seit über zwei Jah­ren den Esse­ner Stadt­teil Ste­e­le heim­sucht. Inzwi­schen inter­es­siert sich selbst der Ver­fas­sungs­schutz für die Sze­ne [3] und beur­teilt, dass “eini­ge Mit­glie­der rechts­extre­mis­ti­sche Bezü­ge” auf­wei­sen. Dazu kommt, dass durch eine Gro­ße Anfra­ge der Grü­nen [4] [I] bekannt gewor­den ist, dass gegen Tei­le der “Stee­ler Jungs” wegen der Bil­dung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung ermit­telt wird.
Inwie­weit die “Stee­ler Jungs” ein extrem rech­tes Netz­werk dar­stel­len, wur­de bereits aus­führ­lich in einer Recher­che von ESSQ (5) hin­ge­wie­sen.

Bewer­tung

Die zu beob­ach­ten­de Expan­si­on der extrem rech­ten Kampf­sport­sze­ne ist gleich in zwei­er­lei Hin­sicht ein besorg­nis­er­re­gen­des Zei­chen. Zum einen zeigt es, dass sich die Sze­ne sehr sicher fühlt, in dem was sie tut. Das offen­si­ve Bewer­ben und Buh­len um Neu­zu­wachs signa­li­siert Zuver­sicht, dass sich das Beset­zen des The­mas Kampf­sport für die Sze­ne ren­tiert: Sowohl öko­no­misch, da mit Kampf­sport­trai­ning Geld ver­dient wer­den kann, als auch orga­ni­sa­to­risch, da die Sze­ne durch den Sport wach­sen und die Ideo­lo­gie so all­tags­taug­li­cher machen kann. Die Erwei­te­rung des Wir­kungs­krei­ses in umlie­gen­de Städ­te ist daher nur fol­ge­rich­tig und alar­mie­rend zugleich.

Zum ande­ren ver­setzt uns die Nor­ma­li­sie­rung rech­ter Umtrie­be wei­ter in Unru­he. Dass in Kampf­sport­clubs neben Per­so­nen der extre­men Rech­ten auch Kin­der und Jugend­li­che trai­nie­ren und trai­niert wer­den, ist hoch pro­ble­ma­tisch. Sport soll­te als einen­des Moment gese­hen und gelebt wer­den und kei­nen Platz für Ras­sis­mus und Neo­na­zis­mus bie­ten. Ins­be­son­de­re für Men­schen, die nicht in das Welt­bild der extrem rech­ten Sze­ne pas­sen, stel­len kampf­spor­ter­fah­re­ne Per­so­nen die­ser Sze­ne eine direk­te Gefähr­dung für die kör­per­li­che Unver­sehrt­heit dar.

Als Stadt­ge­sell­schaft sind daher alle Oberhausener*innen dazu auf­ge­ru­fen, das Trei­ben inner­halb der “Fight­ing Forces” genau im Blick zu behal­ten und einzuschreiten.

Wei­ter­füh­ren­de Informationen

Als Lek­tü­re zum The­men­kom­plex rech­ter Agi­ta­ti­on im Kampf­sport emp­feh­len wir das Buch “Ihr Kampf” (6) von Robert Claus. Claus und sei­ne Gastautor*innen zei­gen auf, wie sich Euro­pas extre­me Rech­te in Gyms und auf pro­fes­sio­nel­len Kampf­sport­ver­an­stal­tun­gen für den Tag X wapp­net. Das Buch ist 2020 im Ver­lag Die Werk­statt erschie­nen und umfasst 224 Sei­ten. Kos­ten: 19,90 €

Ver­an­stal­tungs­hin­weis

Die extre­me Rech­te im Kampf­sport. Ein Blick nach Gel­sen­kir­chen, in die Umge­bung und Europa

Die extrem rech­te Sze­ne rüs­tet auf: Ihre Kame­rad­schaf­ten, Par­tei­en und Event­ver­an­stal­ter haben gezielt eige­ne Struk­tu­ren im Kampf­sport auf­ge­baut – Trai­nings­stu­di­os, Klei­dungs­mar­ken und inter­na­tio­na­le Netz­wer­ke. Oben­drein hat sich der „Kampf der Nibe­lun­gen“ zum größ­ten Kampf­sport­event der mili­tan­ten Neo­na­zi­sze­ne in West­eu­ro­pa ent­wi­ckelt. Die­se ist beflü­gelt vom Erstar­ken extrem rech­ter Poli­tik und trai­niert ihre poli­ti­sche Gewalt. Die Sze­ne berei­tet sich somit vor auf die Stra­ßen­kämp­fe am Tag X, an dem sie die von ihr ver­hass­te Demo­kra­tie zu Fall brin­gen will. In sei­nem neu­en Buch „Ihr Kampf“ beschreibt Robert Claus die­se gefähr­li­che Ent­wick­lung und sagt, wel­che Gegen­stra­te­gien aus Zivil­ge­sell­schaft, Sport und Poli­tik mög­lich und not­wen­dig sind.

Neben der Buch­le­sung rich­ten wir unse­ren Blick ins­be­son­de­re nach Gel­sen­kir­chen und in die Umge­bung. Wel­che rechts­extre­men Bewe­gun­gen zei­gen sich auch lokal in der Kampf­sport­sze­ne? Und wel­che Prä­ven­ti­ons- und Hand­lungs­mög­lich­kei­ten sind hier hilf­reich? Die­sen Fra­gen wol­len wir mit Ihnen gemein­sam nach­ge­hen und diskutieren.

Die Ver­an­stal­tung fin­det online am 29.10.2010 um 19 Uhr statt. Anmel­dung unter: sarah.pruetz@gelsenkirchen.de

Links:
[1] https://essq.de/index.php/2020/04/27/teile-der-steeler-jungs-gruenden-kampfsport-club-in-gelsenkirchen/
[2] https://runtervondermatte.noblogs.org/
[3] https://www.welt.de/regionales/nrw/article200521220/Steeler-Jungs-Verfassungsschutz-hat-Essener-Buergerwehr-im-Visier.html
[4] https://opal.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-11081.pdf
[5] https://essq.de/index.php/2020/03/16/steeler-jungs-rechtsradikales-netzwerk-auf-vkontakte/
[6] https://www.werkstatt-verlag.de/isbn/9783730705155