Kaum haben die rechten Aufmärsche gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und die aus diesen hervorgegangenen russlandsolidarischen vermeintlichen „Friedensdemonstrationen“ ihr Mobilisierungspotential aufgebraucht, gibt es nun einen neuen Versuch eines neuen, spektrenübergreifenden rechten Organizings. Unter dem Label „Thekenalarm“ versuchen rechte Aktivist*innen, eine selbsternannte Bürgerwehr aufzubauen, wohl in der Absicht, zukünftig aus eigener Ermächtigung heraus hoheitliche Aufgaben zu übernehmen. Nach etwa einem Jahr eher unauffälligen lokalen Strukturaufbaus im kleinen Kreis und in privaten Räumlichkeiten gibt es zunehmend den Versuch, in bürgerliche Milieus und Räume einzudringen und sich in eher bürgerlich-alternativen Gastronomien zu etablieren.
Schon seit dem Ende der wöchentlichen Aufmärsche der sog. Corona-Demonstrationen in Oberhausen im letzten Jahr treffen sich einige verbliebene Akteur*innen aus der Organisationsstruktur regelmäßig mittwochs abends wahlweise im Café Transatlantik oder im Gdanska am Altmarkt in kleiner Runde zum Biertrinken. An diesen Treffen nehmen u.a. Protagonist*innen der z.T. organisierten extremen Rechten aus Oberhausen sowie aus umliegenden Städten teil.
Ein zeitgleiches, öffentlich beworbenes, Treffen am Mittwoch 7. Februar im Café Transatlantik muss als ziemlich erfolgreicher Versuch der Gruppe „Thekenalarm“ gewertet werden, einen Großteil dieser rechten Resterampe in die neuen Strukturen zu integrieren.
Von diesem Treffen zeugt ein veröffentlichtes Video, in dem sowohl das Transatlantik, als auch das Bedienpersonal gut zu erkennen ist. Ob „Gunny“ V. dazu eine Genehmigung des Transatlantik hatte, wagen wir zu bezweifeln.
Was ist Thekenalarm?
Bei „Thekenalarm“ handelt es sich um ein rechtes, strukturell rassistisches Organisierungsprojekt mit dem Anspruch bundesweit eine vigilantische Bürgerwehrstruktur aufzubauen – gelabelt als „(Mut)Bürgerwehr“. Angeführt wird die Struktur durch den Journalisten Claus Bienfait aus Köln und Olaf Fritsche aus Wuppertal, welche vor allem durch einen enggetackteten Output auf diversen Social-Media-Plattformen sowie kleinere Versuche, sich im realen Leben mit Unterstützenden als Bürgerwehr aufzuspielen, auffallen. Darüber hinaus haben sich – unter Anleitung von Bienfait und Fritsche – in unterschiedlichsten Städten bundesweit rechte Akteure unterschiedlichster organisatorischer Herkunft unter dem coorporate Design der Struktur als Lokalgruppen organisiert.
Auch wenn es nicht explizit benannt wird, verdeutlichen die Beiträge der Hauptprotagonisten und der zentralen Aktivist*innen in den unterschiedlichen Städten auf Social-Media deutlich, dass sie als Ziel des Strukturaufbaus nichts geringeres haben als „den Systemsturz“.
„Thekenalarm“ in Oberhausen
Obwohl die beiden Hauptprotagonisten ihren Lebensmittelpunkt in anderen Städten haben, scheint die lokale Struktur in Oberhausen im Vergleich zu den anderen Städten am weitesten organisatorisch fortgeschritten zu sein. Als lokale Führungsprotagonisten treten hier u.a. die in Duisburg lebenden „Gunni“ und Britta V. auf, welche in Oberhausen-Barmingholten an der Graßhofstraße 139b die „Club Garage“ betreiben. In diesen Räumlichkeiten fanden seit August 2023 bis einschließlich Donnerstag 1. Februar 2024 monatliche Treffen statt, zu denen die Mitstreiter*innen gezielt andere ihnen bekannte rechte Aktivist*innen zum Kennenlernen der Struktur eingeladen haben.
Auf Videomaterial, welches sie von ihren Treffen veröffentlicht haben, sind zahlreiche namentlich bekannte Protagonist*innen der rechten Szene u.a. aus Oberhausen, Dinslaken, Duisburg zu sehen. Von der organisatorischen Herkunft sind die verschiedensten rechten Milieus vertreten, von Reichsbürger*innen über Leute aus dem Umfeld der AfD bis zu rechten Rockerstrukturen. Die augenscheinlich verbindende organisatorische Klammer stellen die Proteste gegen die Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie dar, bei denen fast alle in den Videos zu sehenden Teilnehmenden städteübergreifend mitgemischt haben.
Ein erstes gemeinsames Treffen mit der Corona-Demo-Resterampe fand am 16.2.24 in den Räumen der Firma „Betoglass Deutschland GmbH“ in Oberhausen-Alstaden an der Adresse Heiderhöfen 23 statt. Den Raum wohl zur Verfügung gestellt und den Rahmen organisiert, hat Michael H. aus Oberhausen.
Auch abseits der Treffen in Oberhausen fielen insbesondere die beiden lokalen Organisator*innen bei Auftritten des „Thekenalarm“ durch explizit rechtsradikalen Habitus auf. Beispielhaft erwähnt sei hier eine kleine angemeldete Demo von „Thekenalarm“ durch Köln am 16.12.2023 bei der „Gunny“ V. in einem von „Thekenalarm“ veröffentlichten Video u.a. grölt „Hier ist die Anti-Antifa“; Parolen, die wir von neonazistischen Aufmärschen kennen.
Zwei Tage vor dem monatlichen Treffen am 4. Januar diesen Jahres in der „Club Garage“ veröffentlichte die örtliche „Thekenalarm“-Struktur ein mobilisierendes Einladungsvideo, in dem „Gunny“ V. Ankündigte:
„(…) Wir treffen uns, um unser Notwehrprogramm für den 8.1. zu finden. (…) wie wir Notwehr anwenden können, (…) weil, so wie es jetzt momentan ist, kann es nicht weiter gehen, (…) uns wird Schaden zugefügt, ohne Ende, und äh wir müssen uns da wehren, (…)“.
Für den 8. Januar hatten Landwirte zu einem vermeintlichen Generalstreik aufgerufen, der bundesweit auch von rechtsradikalen Strukturen unterstützt, gekapert oder sogar organisiert wurde.
Wofür steht „Thekenalarm“
Laut eigener Selbstdarstellung sieht „Thekenalarm“ sich selbst als liberal und konservativ, als „bürgerliche Mitte“.
Ganz unverhohlen findet sich auf der Webseite jedoch auch die weitergehende Selbsteinschätzung des Führungspersonals, die sich so oder so ähnlich regelmäßig auch in der extremen Rechten, der AfD und dem Umfeld von Reichsbürger*innen findet:
“(…) Claus Bienfait und Olaf Fritsche halten die Parteiendemokratie für schädlich, die veröffentlichte Meinung für manipuliert und ungesteuerte Migration für gefährlich. (…)“.
Auch an anderen Stellen werden klare Reichsbürger*innenpositionen – und ‑erzählungen verbreitet. Beispielhaft verweisen wir hier auf ein Livestreamvideo vom 11.2.24 in dem Claus Bienfait u.a. folgendes äußert:
„Also der Personalausweis ist ungefähr so was wie ein Betriebsausweis. Also derjenige der in einem großen Konzern arbeitet hat auch so einen Betriebsausweis, ganz was ähnliches ist unser Personalausweis. Soll mal einer probieren, sich einen Identitätsnachweis als Deutscher geben zu lassen (…)“
Hiermit bedient er die bekannte Reichsbürgererzählung der „BRD GmbH“.
Auch sonst werden in den nahezu täglich auf Social-Media veröffentlichten Videobotschaften so ziemlich alle gängigen Narrative und Themenfelder der extremen Rechten bedient: Leugnung des menschengemachten Klimawandels, souveränistische- und Reichsbürgerthesen, Trans- und Homophobie, Islamophobie, rassistische Hetze, Antifeminismus, eine angebliche Frühsexualisierung, die Ablehnung des Rundfunkbeitrags („GEZ“) und die Erzählung einer vermeintlichen „Lügenpresse“, Mobilmachung gegen die „Ampel“ im Allgemeinen und „Die Grünen“ im Besonderen und die Verbreitung von Fakenews.
Wie ist „Thekenalarm“ organisiert
„Thekenalarm“ nutzt zur Organisation einen Verein, der bereits 2008 von Olaf Fritsche und seinem in Ostdeutschland lebenden Bruder gegründet wurde. Ursprünglich als „Kinderhilfe Pater Martin e.V.“ gegründet, wurde dieser am 14. Juni 2023 umbenannt in „Verein für Demokratie e.V.“.
Nicht nur die oben beispielhaft zitierte Selbsteinschätzung zur „Parteiendemokratie“ verdeutlicht, wie wichtig es inzwischen ist, sich nicht von vermeintlich harmlosen Vereins- oder Strukturnamen in die Irre leiten zu lassen.
Fazit
Mit „Thekenalarm“ erleben wir eine neue Form szenenübergreifenden rechten Organizings. Mit dem Begriff „Bürgerwehr“ wird im allgemeinen Sprach- und Geschichtsverständnis der Anspruch impliziert, staatliche Hoheitsaufgaben zu übernehmen und durch weder demokratisch noch gesellschaftlich legitimierte Selbstorganisationen zu ersetzen. ‚solche Bestrebungen müssen nicht nur als Bedrohung für Menschen mit Migrationsgeschichte, LGBTIQ+ und die organisierte Linke sondern darüber hinaus auch für die bürgerliche Demokratie aufgefasst werden.
Den Versuch, aus den privaten Räumen herauszukommen und Treffen in etablierten Kneipen und Cafés zu veranstalten, werten wir als einen weiteren Versuch einer rechten Hegemonisierung. Dieser gilt es entschlossen entgegenzutreten. In einigen anderen Städten wie Bonn, Wuppertal, Regensburg, Berlin, und Hannover wurde „Thekenalarm“ die Nutzung solcher Räume von den Betreiber*innen untersagt.
Einen solchen Schritt muss es auch in Oberhausen geben.
Keine Räume für rechten Strukturaufbau!
Weder im Transatlantik, noch im Gdanska, noch anderswo!